Gemeinsame Basis für Engineering-Prozesse: Was ist ECLASS?

ECLASS: Das ist ein branchenübergreifender, normenkonformer und zugleich offener Standard für Stammdaten und Semantik. Mit ihm können Waren und Dienstleistungen weltweit beschrieben und klassifiziert werden, sodass Industrie 4.0 oder das Internet der Dinge in greifbare Nähe rücken. Doch was macht den Standard aus und welche Vorteile bietet er konkret für Industrie und Engineering-Prozesse?

39 Suchgebiete, 45.000 Produktklassen, 19.000 eindeutig beschriebene Merkmale und vier Klassifizierungsebenen: Mit ihnen können über Ländergrenzen und Sprachen hinweg Produktdaten strukturiert und detailliert beschrieben werden. Kein Wunder also, dass sich der ECLASS-Standard in den letzten Jahren weltweit etabliert hat und zahlreiche Unternehmen davon profitieren. Doch warum ist ein derartiger Standard nötig und warum reichen nicht die unternehmensinternen Beschreibungsmechanismen aus, um die eigenen Produkte zu klassifizieren?

Neue Möglichkeiten dank ECLASS

Industrie 4.0, also die Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt, setzt die Kommunikation aller drei Parteien voraus. Ständig müssen Informationen zu einzelnen Komponenten ausgetauscht werden, beispielsweise um festzulegen, welche Maschine den nächsten Produktionsschritt ausführt und auf welchem Weg das zu bearbeitende Werkstück dorthin gelangt. Es müssen Anforderungen gestellt und verstanden werden und es müssen Probleme im Prozess erkannt und möglichst gelöst werden.

Damit diese Kommunikation branchen- und anbieterübergreifend gelingt, wird eine allgemeine Sprache benötigt: ein Standard. Mit ECLASS sind alle Daten maschinenlesbar und die Merkmale eindeutig, sodass das Format optimal geeignet ist, um den Herausforderungen der Industrie 4.0 gerecht zu werden.

Diese beginnen bereits beim Engineering-Prozess. Bei der Planung eines Schaltkastens müssen alle Schutzparameter bekannt sein. Werden die Daten der einzelnen Bauteile in ECLASS angegeben, so ergibt sich daraus eine deutliche Entlastung der Konstrukteure. Statt alle Daten manuell aus Katalogen zu sammeln und für das aktuell verwendete Tool zu digitalisieren und aufzubereiten, stehen feingranulare und detaillierte Informationen zur Verfügung und können sofort genutzt werden. Dabei ist ECLASS ISO-konform und sorgt so für eine normgerechte Beschreibung.

Detaillierte Klassifikation

Jedes in ECLASS beschriebene Produkt und jede klassifizierte Dienstleistung ist mit einem achtstelligen Code abbildbar. Darin enthalten sind die Produktklasse, spezifische Merkmale und eine Einordnung zur leichteren Auffindbarkeit der Informationen. Die Codes sind branchenübergreifend verständlich und eindeutig, da die Merkmale immer gleich benannt werden. Um eine größtmögliche Aktualität zu garantieren, wird der Standard durch jährliche Releases weiterentwickelt. Hierbei können Anwender unterstützen, indem sie ihre Erfahrungen im praktischen Umgang mit dem Standard an die ECLASS-Arbeitskreise weitergeben. Dort fließen sie dann in die Entwicklung der kommenden Version ein.  

An einen Code können weitere Identifier wie der Lieferantenname oder eine spezielle Markenbezeichnung angehängt werden, um über die Stammdaten hinaus gehende Informationen zu transportieren. Dank der offenen Architektur ist es bei Einführung des Standards nicht notwendig, alle bisher im Unternehmen gebräuchlichen Systematiken über Bord zu werfen. Vielmehr kann das Klassifikationssystem an die eigene Systematik angepasst werden. Dies verhindert Medienbrüche, überwindet Barrieren und beseitig Reibungsverluste.

Zwei Sichten für unterschiedliche Aufgabenbereiche

Verfügbar ist ECLASS in zwei Sichten, die jederzeit ineinander überführt werden können. Flache Merkmalsleisten zeichnen die Variante ECLASS BASIC aus. Sie bietet sich insbesondere in Bereichen wie Vertrieb, Einkauf oder Controlling an. Alle Daten sind menschen- und maschinenlesbar. Ein weiterer Vorteil ist die einfache Implementierung.

Eine flexible multidimensionale Merkmalsstruktur wiederum ist der Variante ECLASS ADVANCED eigen. Die Daten sind hauptsächlich maschinenlesbar. Die aufwändigere Implementierung macht sich bei Engineering-Prozessen bezahlt, wenn die Konstrukteure auf eine gemeinsame Basis zurückgreifen können und alle Stammdaten ohne langwierige Suchvorgänge eindeutig erkennbar sind. Das Ausleitungsformat ist hierbei eine XML-Datei.

Beiden Sichten gemeinsam ist die hierarchische Struktur, die in vier Elemente gegliedert ist:

  • Sachgebiete
  • Hauptgruppen
  • Gruppen
  • Klassen

Ordnung ist das halbe Leben

Unternehmen, die ihre Daten nach ECLASS pflegen, profitieren von einem besseren Austausch mit Kunden und Partnern. Damit wird die Wettbewerbsposition deutlich gestärkt. Vereinfachte Abläufe sorgen für eine Zeitersparnis sowie Kostensenkung und zugleich ist eine Ertragssteigerung durch die Erschließung neuer Absatzpotenziale, beispielsweise über elektronische Kataloge, möglich. Nicht zuletzt sorgen die standardisierten Daten für durchlaufende Prozesse und damit eine verbesserte Performance.

Für die Konstrukteure wiederum ist es entscheidend, dass möglichst viele Unternehmen auf ECLASS setzen und sich der Standard weiter etabliert. Nur so sind übergreifend eindeutige Bezeichnungen und eine durchgängige gemeinsame Datenbasis realisierbar. Die Daten, die für einen Engineering-Prozess gebraucht werden, sind besonders komplex. Für eine sinnvolle Unterteilung bietet ECLASS ADVANCES daher vier Strukturelemente:

  • Block
  • Aspekt
  • Kardinalität
  • Polymorphismus

Übersichtlichkeit und beste Datenverfügbarkeit

Der Block sorgt für bessere Übersichtlichkeit, indem thematisch zueinander gehörige Merkmale zusammengeführt und unter einem Namen gesammelt werden. Damit ist es möglich, über einen Block die spezifischen Charakteristika eines bestimmten Produktes zu beschreiben, anstatt dies über zahlreiche einzelne Merkmale zu realisieren, die einzeln gesucht werden müssen. In einem Block finden sich die notwendigen Informationen schnell und einfach an einem Ort.

Weitergeführt wird dieses Strukturelement über den Aspekt, eine spezielle Variante des Blocks. Hier können unterschiedliche Merkmale und auch Blöcke zusammengeführt werden. Allerdings geht es dabei nicht um produktspezifische Eigenschaften einer Ware, sondern um den Kontext eines Produktes. So werden Informationen über Anschlüsse oder zur Verbauung angegeben, wie sie für den Engineering-Prozess von Bedeutung sind.

Die Kardinalität sorgt ebenfalls für eine Vereinfachung, gerade wenn es um die Gestaltung großer Anlagen oder ganzer Produktionsstraßen geht. Gibt es mehrere baugleiche Komponenten, bestünde ein großer Aufwand darin, jede mit exakt den gleichen Merkmalen zu versehen. Daher ist es mittels dem Multiplikationselement Kardinalität möglich, Blöcke zu vervielfachen. Sie können an mehreren Stellen hinterlegt werden und sind dementsprechend mehrfach aufrufbar.  

Nicht zu jedem Zeitpunkt eines Planungs- oder Entwicklungsprozesses ist es notwendig, alle Merkmale eines Produktes einzusehen. Vielmehr ist es von Vorteil, wenn jeweils genau die Daten verfügbar sind, die zum entsprechenden Zeitpunkt benötigt werden. Hier kommt der Polymorphismus ins Spiel. Mit diesem Element können Anwender entscheiden, welche Merkmale eines Blocks angezeigt werden sollen. Damit wird auf der einen Seite eine Redundanz vermieden, auf der anderen Seite sind alle notwendigen Details der Produktcharakteristika zum richtigen Zeitpunkt verfügbar.

Fazit

Der Industriestandard ECLASS sorgt für eine detaillierte und eindeutige Beschreibung und Klassifizierung von Produkten. Branchen- und länderübergreifend können Anwender damit alle wichtigen Merkmale von Waren einsehen. Unklarheiten durch unternehmensinterne Beschreibungsmechanismen, die sich in der Bedeutung einzelner Merkmale unterscheiden, gehören damit der Vergangenheit an. Insbesondere im Engineering-Prozess führt dies zu Vereinfachungen, die sich auch in einer deutlichen Kosten- und Zeitersparnis bei gesteigerter Produktivität widerspiegeln. Dabei werden die Vorteile umso deutlicher, je mehr Unternehmen mit dem Standard arbeiten und je weiter er sich etabliert.