Produktdatenstandard ECLASS 11.0: Neuerungen und Vorteile der neuen Version für CAE

Offene Produktdatenstandards wie ECLASS Advanced gewinnen mehr und mehr an Bedeutung, denn sie sind Voraussetzung, soll Industrie 4.0 Realität werden. Die Version 11.0 des Standards stellt die größte Weiterentwicklung bisher dar. Anlass genug, die wichtigsten Vorteile und Neuerungen mit CAE-Bezug unter die Lupe zu nehmen.

Seit der Gründung des ECLASS e. V. wurde der Standard kontinuierlich weiterentwickelt. Jährlich wird eine neue ECLASS-Version veröffentlicht. Die neue Version 11.0 hebt sich insofern von ihren Vorgängerinnen ab, als dass sie die umfangreichsten Neuerungen seit dem Launch der ersten Version beinhaltet.

Diese Neuerungen bringen weitreichende Vorteile für das CAE. Anhand zweier Beispiele, die im weiteren Textverlauf erläutert werden, wird dies besonders deutlich: So sind mit der Version 11.0 nun Engineering-Daten für Schutzparameter verfügbar. Und zudem ist die Möglichkeit zur funktionalen Beschreibung von Produkten hinzugekommenen. Für Konstrukteure bedeuten beide Weiterentwicklungen eine spürbare Entlastung bei der Planung von Schaltanlagen.

Die physischen Größen von Komponenten sind selbstverständlich wichtige Informationen bei der Schaltplanerstellung. Dass nun mit ECLASS 11.0 auch die Funktionen von Produkten beschrieben werden können, eröffnet jedoch ganz neue Möglichkeiten für das CAE. Softwaregestützt durch das AmpereSoft ToolSystem, lassen sich aus den ECLASS-Funktionsbeschreibungen wichtige Vorteile erzielen, insbesondere in Bezug auf die Zeitersparnis bei der Schaltplanerstellung. So wird die automatisierte Generierung von Schaltsymbolen ermöglicht, die anschließend unkompliziert in den Schaltplan eingefügt werden können. Dies gilt sowohl für genormte als auch für nicht genormte Funktionen. Zuvor mussten die Konstrukteure sich mehr oder weniger selbst darum kümmern, die entsprechenden Symbole zu beschaffen. Teils mussten diese gar aufwendig in Eigenregie erstellt werden. Ganz einfach, weil von Herstellerseite aus Gründen der Wirtschaftlichkeit häufig keine Möglichkeit besteht, alle benötigten Symbole für alle CAE-Systeme im Markt mit auszuliefern.

ECLASS unterstützt die softwaregestützte Netzberechnung

Die Beschreibung der Schutzparameter gehört zu den unverzichtbaren Informationen, wenn die Netzberechnung einer Schaltanlage durchzuführen ist, und um den Netzschutz durch Selektivität zu gewährleisten.

Zur softwaregestützten Netzberechnung etwa sind zahlreiche feingranulare technische Informationen in digitaler Form nötig. Diese zu recherchieren und für die entsprechenden Tools aufzubereiten, bedeutet einen enormen manuellen Aufwand – erst recht, wenn die Daten ursprünglich aus Katalogen oder anderen Unterlagen stammen und zunächst digitalisiert werden müssen. Eine Automatisierung der Prozesse ist auf diese Weise nicht möglich.

Engineering-Daten sind äußerst vielfältig und komplex. Sie standardisiert zu beschreiben, ist eine große Herausforderung. Denn: Die Daten variieren aufgrund von technischen Abhängigkeiten oder ergeben sich aus normativen Anforderungen von Typenprüfberichten. Ihre Darstellung erfolgt in der Regel als Graphen, weshalb sie nicht in einer flachen Merkmalstruktur beschrieben werden können und von den Produktherstellern bislang individuell bereitgestellt werden.

Abbildung von mehrdimensionalen Datenstrukturen

Mithilfe von ECLASS können Schutzparameter nun spezifisch und detailliert beschrieben werden – und zwar sprachneutral, maschinenlesbar, branchenunabhängig und eindeutig. Kein anderer Produktdatenstandard ist in der Lage, mehrdimensionale Datenstrukturen dynamisch abzubilden. Damit dies gelingt, werden Informationen in ECLASS in Strukturelemente wie Block, Aspekt, Kardinalität und Polymorphismus unterteilt. Soll ein Block erstellt werden, müssen Anwender ein sogenanntes Referenzmerkmal bilden.

Schaubild von ECLASS Schutzfunktionen
Systematische Abbildung von Schutzfunktionen in ECLASS 11.0

Um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten, werden zusammengehörige Merkmale unter einen bestimmten Namen in Blöcke eingeteilt. Würden sie auf einer einzigen Ebene aufgelistet, würde dies eine lange, aus Merkmalen bestehende, Kette ergeben. Und jedes Mal, wenn ein neues Merkmal hinzugefügt würde, würde diese Kette sogar noch wachsen. Ein weiterer Vorteil der Blöcke ist, dass sie an verschiedenen Stellen wiederverwendet werden können.

Aspekt, Kardinalität und Polymorphismus

Die Sammlung von thematisch zusammengehörigen Merkmalen und Blöcken wird unter dem Begriff Aspekt zusammengefasst.Ein Beispiel hierfür ist der Aspekt „CAx Anschlüsse und Funktionen“. Hier finden sich detaillierte Informationen wie Art, Position und verwendbare Leiterquerschnitte eines Produkts. Außerdem wird die Funktionen beschrieben und so eine möglichst schnelle Verwendung im Engineering und eine automatisierte Fertigung zu ermöglichen.

Die einzelnen Blöcke können je nach Bedarf vervielfacht werden. Diese weitere Möglichkeit, die Merkmale einer Klasse zu ordnen, nennt man Kardinalität. Angenommen, eine Produktionsstraße ist mit sechs identischen Greifarmen bestückt, deren Merkmale in einem Block zusammengefasst sind. In diesem Fall reicht es aus, das Referenzmerkmal „Anzahl der Greifarme“ auf „6“ zu stellen: Der entsprechende Block würde in diesem Fall sechsmal aufgerufen.

Polymorphismus – die „Mehrgestaltigkeit“ – bietet in eCl@ss die Möglichkeit, zur Beschreibung unterschiedliche Blöcke anzuwenden und das in Abhängigkeit von einem speziellen Merkmalswert. So werden zum Beispiel für Anschlüsse in elektrischer, pneumatischer oder optischer Ausführung jeweils spezifisch zusammengestellte Merkmale (Blöcke) verwendet.

ECLASS 11.0 lässt Industrie 4.0 einen Schritt näher rücken

Bereits mit der ersten Veröffentlichung des ECLASS-Standards wurde die Entwicklung hin zur Industrie 4.0 vorangetrieben. Jede neue Version stellt einen kleinen Schritt auf diesem Wege dar. Das jetzt veröffentlichte Release stellt jedoch einen echten Meilenstein dar. Dabei ist die „Rechnung“ einfach: Weil die Produkte noch detaillierter beschrieben werden können, ist auch ein entsprechend detaillierter Engineering-Prozess möglich.